Abenteuer Deutschlandlauf: in 21 Tagen von Flensburg nach Lörrach
Nachdem der Ettenheime Ultraläufer Andreas Amann (LVE) bereits 4x erfolgreich Deutschland von Nord nach Süd im Laufschritt durchquert hatte, stellte er sich erneut dieser Herausforderung. Die bisherigen Deutschlandläufe führten von Kap Arcona nach Lörrach und von Sylt zur Zugspitze. Dieses mal hatte der Veranstalter Flensburg als Startort ausgewählt. „Ich hätte mir nie erträumen lassen, dass ich nach meiner ersten Deutschlanddurchquerung 2005, 16 Jahre später wieder an der Startlinie stehen sollte“ blickt Amann zurück. Auch eine schwere Laufverletzung während des Deutschlandslaufs 2017, als nach 10 Etappen die Achillissehne riss, konnte nichts an der Leidenschaft des Ettenheimers für die langen Strecken ändern. 2 Jahre später schon konnte er wieder erfolgreich einen Deutschlandlauf finishen.
So standen Ende August 21 Teilnehmer in Flensburg am Start. Ein eher kleines Teilnehmerfeld, was den Coronabedingten Absagen zahlreicher Läufer aus dem Ausland geschuldet war. Für Amann war das eher ein Vorteil : “Da die Übernachtungen immer in Sporthallen oder Sportheimen erfolgen, hatten wir alle mehr Platz und es ging in den Übernachtungsquartieren wesentlich entspannter zu.“. Allerdings sollten in den Sporthallen die Teilnehmer mit ganz anderen Problemen konfrontiert werden. Nur selten konnten die Hallen nachts komplett verdunkelt werden. Ein anderes mal lief die ganze Nacht die Lüftungsanlage, sodass an Schlaf kaum zu denken war. Aber auch Corona bedingt musste der Veranstalter oftmals kurzfristig umdisponieren. Zugesagte Hallen standen plötzlich nicht mehr zu Verfügung. „Einmal mussten wir kurzfristig in das Clubheim eines Fussballvereins umziehen und machten uns dort in der Gaststätte und den Umkleidekabinen breit“, erinnert sich Amann.
Die ersten Tage wurde aufgrund der eher kürzeren Etappen (ca. 60km) relativ zügig gelaufen. Das Läuferfeld war gut gelaunt und das Wetter spielte auch mit. „Aber aus meiner Erfahrung wusste ich, dass die ersten Etappen zu schnell gelaufen werden und aufgrund fehlender Regeneration dann Überlastungserscheinungen auftreten, die das Aus bedeuten können.“, erläuterte Amann. Leider sollte er damit recht behalten. Das Wetter verschlechterte sich, die langen Etappen mit über 70km hinterließen ihre Spuren, ebenso die eher monotone Landschaft Nord-/Ostdeutschlands. Auf einer neu sanierten Bundesstraße war links ein Radweg markiert ohne Abgrenzung zur Fahrbahn. „Da wir immer auf der linken Seite laufen mussten, donnerten uns die LKW's nur so entgegen und der ein oder andere Läufer musste sich in den Straßengraben retten“, erinnert sich Amann mit Schaudern. Bereits nach den ersten Etappen mussten einige verletzungsbedingt diesen Lauf beenden. Letztendlich sollten von 21 gestarteten Läufern 8 Teilnehmer das Ziel in Lörrach erreichen.
Doch Amann überstand diese kritische Phase des Rennens und konnte schon bald sein erstes Teilziel, die Überschreitung des sogenannten „ALDI-Äquators“ (Grenze zwischen ALDI-Süd und ALDI-Nord) erreichen. „Als ich vor Jahren plötzlich das Logo von ALDI-Süd sah, wurde mir klar, dass ich der Heimat schon ein großes Stück näher gekommen bin, was für mich eine große Motivation darstellte“ erklärt Amann diese eher ungewöhnliche Motivationshilfe. Dass der Deutschlandlauf aber immer wieder seine eigenen Gesetze schreibt und für alle Läufer unkontrollierbar ist, sollte der Läufer des LVE schon wenige Tage später erfahren. „Wir hatten bereits den Main überschritten und die Landschaft wurde zunehmends hügliger. Überall Weinberge und kleine schmucke Dörfer. Dazu viele verkehrsarme Radwege und bestes Wetter“, blickt Amann zurück. Eigentlich genau so wie es sich der Ettenheimer gewünscht hatte und aus seinen unzähligen Trainingsläufen kennt. Doch an diesem Sonntag morgen nahm das Rennen für ihn eine komplett andere Wende. Am ersten steilen Anstieg konnte er seinen linken Fuß plötzlich nicht mehr richtig bewegen. Die Achillissehne schmerzte und der Fußheber funktionierte auch nicht mehr vollständig. „Ich kam kaum noch den Anstieg hoch und musste immer wieder stehen bleiben. Umrahmt von Weinbergen und Sonnenschein stand ich hilflos am Wegesrand und wußte nicht mehr weiter. Ein großer Traum schien nach bereits 15 gelaufenen Etappen und fast 1.000km urplötzlich zu Ende zu gehen. Als dann noch die Kirchturmglocken zu läuten begannen - es war ja Sonntagmorgen- konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und stand in dieser herrlichen Landschaft heulend am Straßenrand“ lässt Amann diesen surrealen Augenblick nochmals Revue passieren. Nur mit Mühe gelang er noch zum ersten Versorgungspunkt und fuhr dann mit einem Betreuer ins Ziel.
Nun sollte dem Ettenheimer seine Erfahrung aus den vergangenen Etappenläufen zu Hilfe kommen. In der Regel reisen Teilnehmer die sich verletzen nach Hause, oftmals noch am selben Tag. Lieber noch mal eine Nacht darüber schlafen und dann eine Entscheidung treffen. Diesen Grundsatz hatte sich Amann einverleibt. Am nächsten Morgen stand dann seine Entscheidung fest. Da an Laufen noch nicht zu denken war, fuhr er die nächsten Tagen 3 Tage mit dem Betreuerteam mit und versuchte seine Verletzung wieder in den Griff bekommen. Die letzten 3 Etappen im Schwarzwald wollte er dann wieder versuchen zu Laufen. „Im Nachhinein bin ich dankbar, dass ich diesen Entschluss gefasst hatte und diese Etappen dann auch wieder laufen konnte, wenn auch mühsam und mit äußester Vorsicht“ blickt Amann etwas wehmütig zurück. Aber so fand der Deutschlandlauf 2021 für den Läufer des LVE nach 1.038 km einen versöhnlichen Abschluss trotz fehlender 3 Etappen.